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Interview

Streetart meets Braukunst

Das neue Pirate Porter 1399 ist in Zusammenarbeit mit dem Graffiti Artist Akut entstanden. Mit seinen Murals trägt er seit etlichen Jahren aktiv zur Verschönerung des Stadtbilds Bad Vilbels bei. Wenn er nicht gerade irgendwo an einer Wand arbeitet, findet man ihn auf Ausstellungen in Paris, Los Angeles, London oder in seinem Atelier in Berlin.
 
Vor einem halben Jahr haben wir ihm von unserer Idee des Pirate Porter erzählt und ihm ein weißes Etikett in die Hand gedrückt. Herausgekommen ist eine Hommage an Bechtram, Raubritter von Bad Vilbel und Teilzeitpirat – natürlich im freshen Streetart Style. Bechtrams Pose und die Lichtatmosphäre verweisen auf Barocke Darstellungen Rembrandts. Das ganze wird dann aber wiederum kontrastiert durch die moderne Umsetzung der Streetart und Urban Art mit deren entsprechenden medienbedingten Texturen, wie Sprühdosenspuren, verwaschenem Acryl, Drips etc. Mit dem Kronkorken als für Piraten so wichtige Augenklappe nimmt Akut dem ganzen hochtrabenden Kunstgeschwafel aber auch gleich wieder die Ernsthaftigkeit. Bier soll ja in erster Linie Spaß machen.
 
Spaß gemacht hat uns auch das Interview mit Akut und Christian, Chef-Brauer und Mastermind hinter allen Rezepturen. Funfact: Die beiden haben sich nach einem halben Jahr das erste Mal live kennengelernt.

Felwila (FW)
Christian Depré (CD)
Akut (AK)

FW:

FW:

Christian, Akut, ihr arbeitet seit einem halben Jahr sozusagen zusammen am neuen Pirate Porter, habt Euch aber noch nicht einmal persönlich kennengelernt. Jetzt ist Eure Gelegenheit, Euch endlich einmal persönlich vorzustellen.

CD:

CD:

Gut, dann fang ich einfach mal an. Mein Name ist Christian Depré, ich bin 37, verheiratet, zwei Kinder. Ich habe 2019 angefangen, das Projekt „Felwila Brauerei“ mit aufzubauen. Dabei bin ich verantwortlich für die Konzeption der Anlage, die Technik drum herum, die Entwicklung der Rezepte und die Begleitung des ganzen Aufbauprozesses. Momentan bin ich dabei, unsere Standardbiere weiter zu entwickeln und die Entwicklung der Sondereditionen zu begleiten. Da wir erst seit Dezember 2020 brauen, stecken einige Sachen einfach noch ein bisschen in den Kinderschuhen. Aber ich hoffe, dass wir im Laufe des kommenden Jahres schöne pubertierende Teenager herangezogen haben (lacht).

AK:

AK:

Schön, Dich kennen zu lernen, Christian! So, was gibt's zu mir zu sagen? Subjektiv gefühlt etwas jünger als Du, auf Papier dann allerdings doch älter. (lacht) Geboren und aufgewachsen bin ich in Schmalkalden, im Thüringer Wald. Hier hab ich auch als Sprayer angefangen zu werkeln und habe erste Auftragsarbeiten für den Thüringer Waldquell Mineralbrunnen angenommen. Mit dem Kauf der Waldquelle Mitte der 2000er Jahre durch die Hassia Gruppe wurde der Schmalkaldener Sprayer sozusagen direkt mit nach Bad Vilbel importiert. So kam es, dass ich das Bad Vilbeler Stadtbild als Teil des Duos Herakut mit gestalten durfte und mich verbindet seitdem eine recht enge Beziehung zu Bad Vilbel. Auch wenn alles mit Graffiti begann, ist meine Art Kunst zu gestalten inzwischen viel breiter aufgestellt. Ich würde mich heute eher als Streetart Künstler bezeichnen. Aber am Ende sind das ja alles nur Worte. Nur Schall und Rauch. Ich freue mich aber sehr darüber, durch das Pirate Porter eine neue Schnittstelle zu Bad Vilbel zu haben – und dem Ort, der jetzt mittlerweile so viel mit mir zutun hat, auf einem anderen Weg, etwas zu geben. Dabei habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, denn ich habe das Bier noch gar nicht richtig probieren können.

CD:

CD:

Ist nicht wahr!

AK:

AK:

Aber bitte nicht als Ignoranz auslegen! Es ist eher so zu verstehen, dass ich es als etwas Besonderes sehe, nichts was ich mir halt irgendwie mal eben schnell aufmache und probiere. Ich will mir einfach ein bisschen Zeit nehmen, um es zu kosten. Ich denke, das hat es verdient, genauso wie ich auch hoffe, dass sich die Kunden ein bisschen Zeit für das Etikett nehmen.

FW:

FW:

Akut, Du gestaltest, sonst eigentlich eher Haus- und Leinwände. Was hat Dich an dem Etikett gereizt?

AK:

AK:

Stimmt, Haus- und Leinwände sind mein Hauptmetier. Nichtsdestotrotz habe ich in Weimar an der Bauhaus Universität visuelle Kommunikation studiert, von daher ist mein Blick über den normalen malerischen Tellerrand schon in meiner DNA mit angelegt. (lacht) Tatsächlich, ich habe ich auch sechs Jahre in München gelebt und dort habe ich auch mein Interesse für Bier entwickelt. Das hat das offene Ohr für Eure Anfrage auf alle Fälle etwas offener gemacht. Und, ehrlich gesagt, tut ein anderes Metier auch irgendwie immer gut, da ich dann oftmals andere Techniken ausprobieren kann. Aber tatsächlich ist das Motiv von Bechtram am Ende auf Leinwand gelandet. Hier war die Herausforderung eher die, mit anderen Elementen umzugehen, wie beispielsweise der grundlegenden Typographie des Etiketts. Wie schaffe ich ein Werk, dass sich in das Layout einfügt und dieses trotzdem zu etwas besonderem macht. Aber der Umgang mit „Bestand“ ist ja quasi auch etwas, dass ich an jeder Wand berücksichtigen muss.

FW:

FW:

Wobei ja auch ein gewisses Spannungsfeld entstanden ist, da das Motiv auf dem Etikett gar nicht ganz zu erkennen ist. Aber Dein Werk wird auch noch auf anderen Pfaden seinen Weg in die Öffentlichkeit finden: Es wird noch eine Sonderauflage Bierdeckel geben und wir werden für einen guten Zweck Kunstdrucke Deiner Leinwand versteigern. Apropos Kunst, Christian, wieviel Kunst steckt auf der anderen Seite in so einer Rezepturentwicklung?

CD:

CD:

So viel Zeit haben wir nicht. (lacht) Tatsächlich gab es in Bad Vilbel schon einmal ein Pirate Porter. Damals noch von einer anderen Brauerei. Das Bier entstand damals in Zusammenarbeit mit Tim Wegge von der Genusserie in Bad Vilbel, der auch dieses Mal seine Rumfässer für die Produktion zur Verfügung gestellt hat. Er war es auch, der mit dem Wunsch nach einer Neuauflage an uns herangetreten ist. Die Herausforderung bestand letztendlich darin, mit den Rumfässern und der Lagerung des Porters zu experimentieren. Das ist für einen Brauer ja schon etwas besonderes und wenn man so möchte, steckt darin auch die Kunst. Wie bei Akut ist es auch bei mir so, dass ich möchte, dass jedes meiner Biere auch meine Handschrift trägt. Herauszufinden wie ich das beim Pirate Porter schaffen kann, war eigentlich der größte Teil der Arbeit. Gerade bei Fässern, die schon ein erstes Leben hinter sich haben, ist das eine sehr große Herausforderung.

AK:

AK:

Ist Dir aber gut gelungen!

CD:

CD:

Danke! Dabei ist der Prozess anders als bei einer Leinwand oder einer Wand niemals abgeschlossen. Denn das Bier wird sich auch nach der Abfüllung noch weiter verändern, wenn auch nicht mehr so schnell. Momentan sind die Rumaromen noch extrem dominant, aber ich nehme mal an – oder besser: ich erwarte – dass sie sich in den nächsten zwei drei Monaten noch ein bisschen mehr mit dem Bier vermischen. Das heißt, dass die Übergänge zwischen dem Rumaroma auf der einen Seite und dem Bieraroma auf der anderen Seite noch ein bisschen verschwimmen und fließender ineinander übergehen. Das Bier wirkt dann noch harmonischer.

FW:

FW:

Was genau meinst Du mit „harmonischer“, bzw. wie fühlt sich das für den Genießer am Ende an?

CD:

CD:

Am Ende suche ich immer nach Harmonie, auch wenn das Bier mal ein bisschen edgy ist. Ich nenne das den „Nachtrinkeffekt“. Ich sehe meine Biere nicht als Einzelstück im Sinne von „Wow, gutes Bier, jetzt mach ich mir aber wieder ein normales auf“. Ich möchte eher erreichen, dass jemand nach dem ersten Glas sagt: Wow, lecker, davon nehme ich noch eins...

FW:

FW:

Das ist spannend, den effekt kennen wir. (alle lachen) Ich hatte das Gefühl im übertragenen Sinne auch bei Deinen Werken, Akut. Wie entsteht eigentlich so ein Konzept bei Dir? Gibt es eine Initialzündung oder schält sich in einem langen Prozess sukzessive die Idee heraus?

AK:

AK:

Tatsächlich hat sich der Grobaufbau und das Grundkonzept, schon bei unserem ersten Gespräch herauskristallisiert. Da gab es zwar während wir uns unterhalten haben noch so ein, zwei weitere Möglichkeiten. Aber das ist ja oft so, dass sich das erste Bauchgefühl schon als das Richtige herausstellt. Spätestens bei den Vorskizzen merkt man dann, ob es der richtige Ansatz ist. In dem Fall war es so und ich hab’s beibehalten. Den Raubritter mit einem kleinen bierspezifischen Detail zum Piraten zu machen ist eine ehrliche, klare Übersetzung des Themas. Dieses kindliche spielen mit dem Kronkorken vorm Auge, das kennen wir ja alle irgendwie und das bietet sich bei einem Piraten einfach an. Mal abgesehen vom Holzbein oder der Hakenhand ist die Augenklappe ja eines der Dinge, die sich am schnellsten dekodieren lassen. Kurz: es hat für mich einfach Sinn gemacht. Aber ich habe mich auch drum herum inspirieren lassen von den Outfits der damaligen Zeit.

FW:

FW:

Du hast sogar ein Museum zu Rate gezogen …

AK:

AK:

(lacht) Ja, ich habe meinen Bruder angerufen, der als Museumsdirektor arbeitet und ein echter Geschichtsspezialist, ist und ihn gefragt: „Wie zur Hölle nennt sich eigentlich diese Art von Outfit? Was kann ich googlen, damit ich bessere Bildmotive dafür kriege?“ Ohne ihn wäre ich da ziemlich aufgeschmissen gewesen. So etwas passiert dann doch eher selten bei meiner sonstigen Arbeit. Ansonsten lag die Herausforderung in den Materialien, aber es hat viel Spaß gemacht damit zu arbeiten: ich meine den Kontrast zwischen glänzenden Oberflächen, wie dem Kronkorken oder der Rüstung und auf der anderen Seite die Street Art Elemente, die siffigen Farbspots mit teilweise grellen Farben. Dieses Zusammenspiel zwischen „shiny“ und „matt“ richtig in Dynamik zu setzen macht das Bild am Ende für mich aus. Klar, dass auch die Bad Vilbeler Wasserburg dazu gehört. Mehr Details hätten es am Ende aber auch gar nicht sein dürfen. Das wäre auf dem Etikett auch nicht mehr zu erkennen gewesen.

FW:

FW:

Ihr seid beide auf Eure Art und Weise detailverliebt und perfektionistisch. Wie geht Ihr mit Kritik? Oder anders gefragt: Welche Kritik ist härter, die eigene oder die von außen?

AK:

AK:

Also ich stolper mich mal in eine Antwort rein ... Also, meine Arbeit muss in erster Linie erstmal vor mir bestehen, insofern bin ich schon mein erster und damit härtester Kritiker. Tatsächlich ist beim Feedback von außen auch immer zu fragen: Wer gibt mir das Feedback? Wer ist mein Gegenüber? Kann er oder sie beurteilen, ob ich meine Aufgabe sinnvoll erfüllt und mein Qualitätsniveau gehalten habe? In meine Bewertung fließt aber natürlich auch mit ein, ob ich meine Zielgruppe erreicht habe; ob meine Message ankommt. Von daher kann ich durchaus auch negatives Feedback in Relation setzen, freue mich natürlich aber auch sehr über positives Feedback.

CD:

CD:

Ich freue mich auch immer über positives Feedback von anderen! (lacht) Aber mich wurmen dann doch auch manchmal Kleinigkeiten, wenn ich weiß, dass ich es eigentlich besser kann. In erster Linie muss das Bier aber immer meinen eigenen Ansprüchen genügen. Viel schlimmer finde ich es, wenn ich mit jemandem über diese Kleinigkeiten spreche und ihm den Geschmack beschreibe und dann kommt ein „Du spinnst doch“ weil jemand nicht schmeckt, was ich erreichen möchte. Aber damit muss ich dann natürlich leben. Der spannendste Moment beim Pirate Porter war der, an dem ich den Sud fertig hatte und die Hefe zugegeben habe. Da stehst Du dann am Ende einer kompletten monatelangen Entwicklung. Und dann schaust Du, wie entwickelt sich das Bier? Wann entscheidest Du Dich es in die Fässer zu geben? Wie verändert es sich in den Fässern? Und wenn es dann in die Flasche gefüllt wird bin ich schon aufgeregt. Der erste Schluck ist dann sicher so ein Moment der Wahrheit, der ist in seiner Krassheit durch äußere Kritik nicht annähernd zu erreichen.

FW:

FW:

Abschließende Frage an Euch beide: Wieviel Piratentum steckt in Eurem sonstigen Jobs als Graffiti Artist und als Brauer? (alle lachen)

AK:

AK:

Graffiti bringt ja schon geschichtlich ein bisschen Freibeuterei mit sich, auch wenn wir das jetzt Streetart nennen. Man fängt sowas ja irgendwie schon ein bisschen als Outlaw an. Gerade in einer Kleinstadt wie Schmalkalden in Thüringen. Das ist in Bad Vilbel vielleicht ähnlich zu sehen. Wenn man eigene Wege geht, und dann auch noch mit einer damals recht jungen und unkonventionellen Kunstart, dann ist man ja schon so in einer Art Piraten-Philosophie drinne. Aber das illegale Graffiti, was einen noch eher zum Piraten gemacht hat, ist jetzt nicht mehr so ein ganz großer Bestandteil meines Lebens. Manchmal freue ich mich aber auch, wenn ich mal wieder einen Sticker platzieren kann.

CD:

CD:

Ich finde es schwierig, einen Piratenbezug herzustellen. Da ist auch meine kriminelle Energie nicht groß genug. Beim Brauen geht es ja in erster Linie um Geschmack und dahinter kommt dann ganz viel trockenes. Der Brauprozess auf einer Anlage wie der unseren spielt sich ja auch gesetzlich in sehr engen Bahnen ab. (denkt nach) Aber vielleicht ist das „Frei“ in Freibeuter eher mein Bezug. Ich versuche mich oft frei zu machen von Konventionen oder besser: frei von Erwartungshaltungen. Ich möchte den Biergeschmack, der mir vorschwebt umsetzen und nicht ein Bier nach einer vorgegebenen Rezeptur entwickeln. Freigeist, Freibeuter … Irgendwo dazwischen würde ich mich ansiedeln. Ja, ich glaube das fühlt sich ganz gut an.

FW:

FW:

Christian, Akut, ich danke Euch für das spannende Gespräch und freue mich auf weitere Projekte mit Euch!

Das Interview führte Sebastian Smieja, der mit seinem Team maßgeblich verantwortlich für den Markenauftritt der Felwila Brauerei zeichnet. Wenn er nicht gerade für die Brauerei tätig ist, arbeitet er mit seiner Agentur Burnthebunny für namhafte Kunden wie Lavazza, Leica, Spielbank Bad Homburg, Rewe, Shift Medical uvm. Wer gern mehr wissen möchte, findet alle Infos auf www.burnthebunny.de

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